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17. Mai 2019, 18:26 Strache-Video "Wir wollen eine Medienlandschaft ähnlich wie der Orbán aufbauen"
Etwa sieben Stunden dauern die Aufnahmen des Treffens mit Heinz-Christian Strache auf Ibiza. Die zehn wichtigsten Aussagen im Überblick.
Von Leila Al-Serori, Oliver Das Gupta, Peter Münch, Frederik Obermaier und Bastian ObermayerDrei Monate vor der österreichischen Parlamentswahl 2017 treffen FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache und der damalige Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus auf Ibiza eine Frau, die ihnen als reiche Russin vorgestellt wird: als Nichte eines Putin-nahen Oligarchen. Sie behauptet, ein paar Hundert Millionen Euro in Österreich investieren - und mit Strache und Gudenus zusammenarbeiten zu wollen. Der heutige österreichische Vizekanzler betont während des Gesprächs zwar immer wieder, alles müsse legal und rechtskonform ablaufen. Im nächsten Augenblick jedoch schlägt er Dinge vor, die illegal erscheinen, hoch umstritten sind oder zumindest der FPÖ-Parteilinie entgegenstehen. Das belegen Aufnahmen, die der SZ und dem Spiegel zugespielt wurden.
"Wir wollen eine Medienlandschaft ähnlich wie der Orbán aufbauen."
Viktor Orbán ist seit 2010 erneut Ministerpräsident in Ungarn. Um die Pressefreiheit ist es seither nicht gut bestellt. Schritt für Schritt höhlt Orbán die ungarische Demokratie aus: Der staatliche Rundfunk wurde auf Regierungslinie gebracht, viele private Medien wurden von Gefolgsleuten Orbáns aufgekauft. Inzwischen dominiert ein regierungskonformer Ton in der Berichterstattung. Kritischen Journalismus betreiben nur noch sehr wenige - und vor allem kleine - Medienhäuser. Auf dem Pressefreiheits-Index von "Reporter ohne Grenzen" ist Ungarn um 64 Plätze nach unten gerutscht, seit Orbán an die Macht gekommen ist. Und dennoch erklärt Strache 2017 auf Ibiza, er wolle so werden wie der ungarische Regierungschef.
"Das Erste, was wir einbringen, ist, wenn sie 50 Prozent der Krone kauft, dass wir die anderen 50 Prozent beisteuern."
Zur Zeit des heimlich gefilmten Treffens - im Sommer 2017 - gehörte die österreichische Kronen Zeitung zur einen Hälfte der Gründer-Familie Dichand, zur anderen der deutschen Funke-Mediengruppe. In Österreich ist das Blatt ein Machtfaktor: Wochentags hat die Krone täglich rund zwei Millionen Leser - und das bei 8,8 Millionen Einwohnern in Österreich. Laut einem Vertrag zwischen den EIgentümern haben die Dichands das alleinige Recht, die inhaltliche Ausrichtung zu bestimmen. Die vorgebliche Russin stellte in Aussicht, die Dichand-Anteile zu kaufen. Strache verspricht, die andere Hälfte beizubringen - angeblich über den Unternehmer Heinrich Pecina. Dieser erklärte auf Anfrage, er "hatte und habe (...) keine Möglichkeiten, die Kronen Zeitung in welcher Weise auch immer zu kontrollieren oder zu beeinflussen".
"Pecina ist ein Investor, der hat dem Orbán alle ungarischen Medien der letzten 15 Jahre aufgekauft und für ihn aufbereitet. (...) Der hat bei der Funke-Gruppe die Kontrolle drauf."
Heinrich Pecina ist der Gründer des Investmenthauses Vienna Capital Partners. 2014 stieg er in den ungarischen Medienmarkt ein und wurde schnell zum größten Verleger des Landes. 2016 stellte er die wichtigste Oppositionszeitung Népszabadság ein. In Österreich war er bislang nicht dafür bekannt, Einfluss auf die Kronen Zeitung auszuüben oder sie gar zu kontrollieren. Und dennoch beharrt Strache auf Ibiza: "Dann hast du alles, dann habt ihr alles." Pecina erklärte dazu, dass sein Unternehmen zwar "eine langjährige Geschäftsbeziehung mit der Funke-Gruppe" habe, daraus ergebe sich aber keine Möglichkeit zur Einflussnahme. Auf SZ-Anfrage, ob es seit 2014 eine Zusammenarbeit mit Pecina hinsichtlich der Krone gegeben habe, antwortet die Funke-Mediengruppe mit einem einzigen, auf die Gegenwart bezogenen Satz: "Es gibt keine Zusammenarbeit zwischen der Funke-Mediengruppe und Herrn Pecina." Ob es zum Zeitpunkt von Straches Ibiza-Treffen eine solche Kooperation gegeben hat, bleibt damit offen.
"Du sagst ihr, wenn sie die Kronen-Zeitung übernimmt drei Wochen vor der Wahl und uns zum Platz eins bringt, dann können wir über alles reden."
Als Heinz-Christian Strache auf Ibiza die vermeintliche Russin trifft, liegt seine Partei - die FPÖ - laut Umfragen auf Platz zwei beziehungsweise drei. Ein paar Prozentpunkte mehr Stimmen konnten damals den Unterschied machen zwischen Platz zwei und drei, aber auch zwischen Platz zwei und eins. Strache scheint also der Ansicht zu sein, dass die FPÖ die Wahl gewinnen könnte, wenn sie etwas mehr mediale Unterstützung erhielte. Für den Fall, dass dies gelinge, stellt Strache seine Zustimmung zu fragwürdigen bis offenkundig illegalen Aktivitäten in Aussicht.
"Dann soll sie eine Firma wie die Strabag gründen. Weil alle staatlichen Aufträge, die jetzt die Strabag kriegt, kriegt sie dann. (...) Das Erste in einer Regierungsbeteiligung, was ich heute zusagen kann, ist: Der Haselsteiner kriegt keine Aufträge mehr."
Der österreichische Industrielle Hans Peter Haselsteiner ist Förderer der liberalen Partei Neos. Vor allem aber war er jahrelang Chef des Baukonzerns Strabag, heute fungiert er als Generalbevollmächtigter, eine Art strategischer Chefberater. Die Strabag ist eines der größten Bauunternehmen, etwa die Hälfte der Aufträge kommen nach eigenen Angaben von der öffentlichen Hand. Brisant ist die Aussage Straches, da er in Aussicht stellte, einer Firma der vorgeblichen Russin stattdessen Aufträge zuzuschanzen. Das wäre mutmaßlich illegal. Auf Anfrage erklärte die Strabag, dass die Zahl der Staatsauftrage in den vergangenen Jahren konstant war.
"Würde es uns gelingen, von einer Seite Fotos zu organisieren, die wir übers Ausland spielen, würde die andere Seite glauben, die andere war's und dann geht der atomare Krieg los. Es muss uns das Kunststück gelingen, eine Seite sichtbar zu machen, damit die andere losschlägt."
Der österreichische Nationalrats-Wahlkampf 2017 war geprägt von Schmutzkampagnen. Straches Sprecher erklärte damals, dass die FPÖ der einzige "saubere Player" sei. In dem Ibiza-Video spricht Strache hingegen darüber, mutmaßliche Verfehlungen aus den Privatleben hochrangiger Politiker von SPÖ oder ÖVP bei ausländischen Medien zu lancieren, ohne als Urheber erkennbar zu sein. Als Reaktion darauf würden SPÖ und ÖVP jeweils weiteres kompromittierendes Material veröffentlichen, glaubt Strache, er nennt es "atomaren Krieg".
"Es gibt ein paar sehr Vermögende, die zahlen zwischen 500 000 und eineinhalb bis zwei Millionen."
In Österreich müssen Parteispenden ab 50 000 Euro sofort an den Rechnungshof gemeldet werden. Sollte die FPÖ tatsächlich Spenden zwischen einer halben und zwei Millionen Euro erhalten haben, hätten diese also gemeldet werden müssen. Allerdings hat die FPÖ dem Rechnungshof seit 2012 keine Großspende in dieser Höhe mitgeteilt.
"Der Verein ist gemeinnützig, der hat nichts mit der Partei zu tun. Dadurch hast du keine Meldungen an den Rechnungshof. Das ist ein gemeinnütziger Verein, mit drei Rechtsanwälten. Der hat ein Statut: Österreich wirtschaftlicher gestalten."
Heinz-Christian Strache bringt in einem der Videos eine neue - mutmaßlich illegale - Form der Parteispende ins Spiel: Statt an die FPÖ soll an einen gemeinnützigen Verein gespendet werden - hinter dem am Ende offenkundig wieder die FPÖ steht. Strache nennt den Namen des Vereins nicht, lediglich ein paar Details: drei Rechtsanwälte stünden an der Spitze und das Vereinsziel sei es, Österreich wirtschaftlicher zu gestalten. Um welchen Verein es sich handelt, ist unklar. Strache erklärte dazu auf Anfrage, während des Treffens auf Ibiza mehrmals "auf die relevanten gesetzlichen Bestimmungen und die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung" hingewiesen zu haben - dies gelte auch für "allenfalls in Aussicht gestellte Parteispenden beziehungsweise Spenden an gemeinnützige Vereine im Sinne der jeweiligen Vereinsstatuten".
"Die Spender, die wir haben, sind in der Regel Idealisten. Die wollen Steuersenkung. Gaston Glock beispielsweise, Heidi Horten (...) ist ein Beispiel. René Benko, der die ÖVP und uns zahlt, einer der größten Immobilienmakler Österreichs, Novomatic zahlt alle."
Keine der Männer, Frauen und Firmen, die Strache auf Ibiza nennt, waren bislang als FPÖ-Spender bekannt. Seit 2012 hat die Partei auch keine einzige Großspende über 50000 Euro an den Rechnungshof gemeldet. Sollten der Immobilienunternehmer René Benko, die Kaufhauserbin Heidi Goëss-Horten, der Waffenhersteller Gaston Glock oder der Spielautomatenhersteller Novomatic wirklich große Summen an die FPÖ gespendet haben, wie Strache behauptet, wäre dies heimlich und damit mutmaßlich auf illegale Weise geschehen. Heidi Goëss-Horten ließ über ihren Anwalt mitteilen, nicht an die FPÖ gespendet zu haben - weder direkt noch über einen zwischengeschalteten Verein. Auch René Benko ließ über einen Anwalt mitteilen, nicht an die FPÖ gespendet zu haben. Gaston Glock erklärte, "weder unmittelbar noch mittelbar Spenden oder sonstige Zahlungen an die FPÖ geleistet" zu haben. Novomatic teilte mit, dass "keine Spenden an politische Parteien getätigt wurden" - auch nicht indirekt, etwa über einen Verein. Auch Heinz-Christian Strache erklärte auf Anfrage, dass weder Glock oder Goëss-Horten noch Benko oder Novomatic an die FPÖ gespendet hätten.
"Würden wir in einer Regierungsbeteiligung sein, würden wir uns sogar vorstellen können, einen Sender zu privatisieren. (...) Wir könnten uns vorstellen, den ORF völlig auf neue Beine zu stellen."
Der öffentlich-rechtliche ORF zählt schon lange zu den erklärten Feinden der FPÖ. Besonders den Moderator Armin Wolf haben die Freiheitlichen als Gegner ausgemacht. Über ihn schrieb FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache 2018 auf Facebook: "Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das sind der ORF und das Facebook-Profil von Armin Wolf." Wolf klagte - und Strache musste sich öffentlich entschuldigen. Vor wenigen Wochen forderten FPÖ-Politiker nach einem kritischen Studiogespräch den Rauswurf Wolfs. Straches Aussage auf Ibiza ist besonders brisant, da FPÖ und ÖVP derzeit an einem neuen ORF-Gesetz arbeiten.