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Faust - Auszug aus der Szene "Nacht"

Diese Szene beginnt mit einem Monolog, in dem Faust mit Bitterkeit und Verzweiflung die Erbämlichkeit seines Lebens und die Begrenztheit seiner Kenntnisse feststellt. Faust, der von dem heftigen Drang besessen ist, die ganze Welt und das All zu durchdringen, sucht in Nostradamus' Magiebuch ein Mittel, sein Verlangen nach Unendlichkeit zu befriedigen. Seine Aufmerksamkeit wird auf das Zeichen des Erdgeistes gelenkt und er beschlit, diesen Geist zu beschwören.

Wie anders wirkt dies zeichen auf mich ein !

Du, Geist der Erde, bist mir näher;

Schon fühl' ich meine Kräfte höher,

Schon glüh' ich wie von neuem Wein.

Ich fühle Mut, mich in die Welt zu wagen,

Der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen,

Mit Stürmen mich herumzuschlagen

Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen..

Es wölkt sich über mir –

Der Mond verbirgt sein Licht –

Die Lampe schwindet !

Es dampft ! – Es zucken rote Strahlen

Mir um das Haupt – Es weht

Ein Schauer vom Gewölb' herab

Und fabt mich an !

Ich fühl's, du schwebst um mich, erflehter Geist.

Enthülle dich !

Ha ! wie's in meinem Herzen reibt !

Zu neuen Gefühlen

All' meine Sinnen sich erwühlen !

Ich fühle ganz mein Herz dir hingegeben !

Du mubt ! du mubt ! und kostet' es mein Leben !

[Er fabt das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimnisvoll aus. Es zuckt eine rötliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme.]

Geist. Wer ruft mir ?

Faust. [abegewendet] Schreckliches Gesicht !

Geist. Du hast mich mächtig angezogen,

An meiner Sphäre lang' gesogen,

Und nun –

Faust. Weh ! ich ertrag' dich nicht !

Geist. Du flehst eratmend, mich zu schauen,

Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehen;

Mich neigt dein mächtig Seelenflehen,

Da bin ich ! – Welch erbämlich Grauen

Fabt Übermenschen dich ! Wo ist der Seele Ruf ?

Wo ist die Brust, die eine Welt in sich erschuf

Und trug und hegte, die mit Freudebeben

Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben ?

Wo bist du, Faust, des Stimme mir erklang,

Der sich an mich mit allen Kräften drang ?

Bist du es, der, von meinem Hauch umwittert,

In allen Lebenstiefen zittert,

Ein furchtsam weggekrümmter Wurm ?

Faust. Soll ich dir, Flammenbildung, weichen ?

Ich bin's, bin Faust, bin deinesgleichen !

Geist. In Lebensfluten, im Tatensturm

Wall'ich auf und ab,

Webe hin und her !

Geburt und Grab,

Ein ewiges Meer,

Ein wechselnd Weben,

Ein glühend Leben,

So schaff' ich am sausenden Webstuhl der Zeit

Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.

Faust. Der du die weite Welt umschweifst,

Geschäftiger Geist, wie nah fühl' ich mir dir !

Geist. Du gleichst dem Geist, den du begreifst,

Nicht mir ! [verschwindet]

Faust. [zusammenstürzend]. Nicht dir !

Wem denn ?

Ich Ebendbild der Gottheit !

Und nicht einmal dir !

 

 

Wie reagiert Faust, als er das Zeichen des Erdgeistes erblickt ?

            Er fühlt sich angezogen

            Er fühlt, dass er das gefunden hat, was er sucht.

            Er ist davon überzeugt, dass die Beschaffenheit dieses Geistes seinem eigenen Streben entspricht.

            Es geht Faust darum, in die Geheimnisse der Natur einzudringen. Er will den Sinn des Lebens erfassen.

 

Die zweite Zeile weist darauf hin, dass Faust sich dem Erdgeist überlegen fühlt. Der Erdgeist ist ihm näher, und nicht umgekehrt. In dieser Zeile kommt Fausts Überheblichkeit zum Ausdruck. Seine Worte verraten sein ausgeprägtes Selbstbewusstsein und in gewissem Maße seinen Hochmut.  Faust ist kein gewöhnlicher Mensch.

Was bewirkt das Anblicken des Zeichens ?

            Er fühlt seine Kräfte höher,

            Er glüht wie von neuem Wein

 

In den folgenden Zeilen spricht Faust von seinem Gemütszustand und von dem Einfluss des Geistes auf seine Seele. Eine gewisse Steigerung lässt sich in dieser Beschreibung spüren.

            Das Zeichen gibt ihm neue Kräfte

            Es erfolgt eine Art Verjüngerung.

            Er hat das Gefühl, die Eigenschaften eines Übermenschen zu besitzen.

            In diesem Augenblick gleicht er einem Titanen, er fühlt nämlich Mut, "Der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen". Er ist bereit, das Schicksal der ganzen Menschheit auf sich zu nehmen.

 

Auf innere Eindrücke folgen äubere Eindrücke. Dieser Wandel ist mit einer Stimmungsänderung verbunden. Ein Gefühl der Unsicherheit ersetzt das Gefühl der Selbstsicherheit. Alle Lichter gehen aus.

            Das Licht symbolisiert die Sicherheit, die Geborgenheit.

            Das Unheimliche tritt herein . 

            Der Erdgeist ist ein übernatürliches Wesen – es treten also übernatürliche Phänomene auf. Die Strahlen, der Dampf vermitteln einen Eindruck von Übernatürlichem. Die kurzen Verse verraten Fausts Erregung.

            Faust nimmt die Gegenwart des Erdgeistes wahr und verlangt von ihm, dass er sich enthüllt.

            Faust befiehlt : Er ist der Übermensch, der seinen Will durchsetzen will.

            Er ist sogar bereit, sein Leben aufs Spiel zu setzen, damit der Geist erscheint.

           

Der Geist tritt in Erscheinung.

Wie reagiert Faust, als der Geist erscheint ?

            Er ist nicht imstande, diese Erscheinung zu ertragen, und wendet sich ab. Er hat seine Kräfte überschätzt. Er bildete sich ein, ein Übermensch zu sein, und wird in den Zustand eines gewöhnlichen Menschen zurückgeworfen.

            Der Titan ist gescheitert.  Fausts Versuch, sich die Kräfte eines Gottes anzumaben, endet mit einem Scheitern.

            Der Geist wirft  ihm vor, sich inkonsequent zu verhalten.

Sein Verlangen entspricht seinen Kräften nicht.

Faust erweist sich als ein Mensch, dessen Kräfte beschränkt sind.

Der Geist erkennt die Macht Fausts an, staunt über seine Reaktion.

Er spottet über Fausts Überheblichkeit. Das "und nun" verleiht diesem Spott Ausdruck.

Faust selbst stellt sein Scheitern fest.

Der Geist weist erneut darauf hin, dass Faust kein gewöhnlicher Mensch ist.

Er unterstreicht den Kontrast zwischen Fausts Sehnsucht und seinen menschlichen Schwächheiten.

 

"Da bin ich"

Wie klingen die drei Wörter ?

wie eine Herausforderung an Faust.

Zum ersten Mal nennt der Geist Faust einen Übermenschen.

Fausts Seelenruf war zwar 'übermenschlich', aber seine Reaktion ist die eines Menschen.

Der Erdgeist vergleicht Faust mit einem Wurm und lässt ihm seine Verachtung spüren.

            Wie reagiert Faust ?

            Er ist beleidigt.

            Er schlägt denselben verachtenden Ton an, um sich an den Geist zu wenden.

            Er nennt ihn eine Flammenbildung.

Der Erdgeist macht sich daran, Faust seine ganze Macht vor Augen zu führen. Die Aktivität des Geistes umfasst alle Bereiche des Lebens, er gibt ein kosmisches Bild von seiner Macht. Er beherrscht Raum und Zeit.

 

Faust nimmt seine Niederlage nicht hin.

Er unternimmt den Versuch, den Erdgeist für sich zu gewinnen.

Er versucht ein letztes Mal, den Erdgeist von seiner Eigenartigkeit zu überzeugen

 

Der Geist gibt eine trockene Antwort, die Faust zur Verzweiflung bringt.

Faust zweifelt an sich selbst.

Aber er nimmt sich zusammen und besteht auf seiner Ähnlichkeit mit einer Gottheit.