Es
war gegen Mittag. Ein drückend schwüler Tag. Auber
einer sehr alten Frau und mir stand niemand an der Bushaltestelle. Die Frau nahm auf der
Bank Platz. Sie tupfte sich die Stirn, steckte das Taschentuch in die Handtasche. Es fiel
ihr schwer, den Reibverschlub
aufzuziehen. Es dauerte eine Weile. Sie legte die Fübe
übereinander. Sie waren geschwollen. Ich stellte meinen Einkaufsbeutel auf die Bank. Da sah die Frau mich an. Ich hatte
keine Zeit, mich vorzubereiten.
« Glauben Sie mir, es ist scheublich,
alt zu sein. Scheublich.
Vergessen Sie es nicht. »
« Aber... »
« Was aber ? Sie meinen wohl, alte Leute haben Söhne und Töchter und Enkel.
Natürlich haben sie. Trotzdem werden wir in Altersheime gesteckt. Unsere Kinder besuchen
uns selten. Und wenn, laufen sie schnell wieder weg. Dabei sind Besuche so wichtig. Am
wichtigsten für uns... »
Die Frau erwartete keine Antwort. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sie ihre
Sache mir erzählte oder der Handtasche, die sie festhielt.
« Sie stecken uns Geld unter die Nachttischdecke. Unsere Kinder. Doch zum
Kaffeetrinken nehmen sie uns nicht mit. Sie wollen uns los sein. Dafür zahlen
sie... »
Die Frau blickte mich wieder an.
« Wo ist Ihre Mutter ? und Ihr Vater ? »
« Meine Eltern sind tot. »
« Haben Sie aber Glück ! »
Geräuschlos fuhr der Bus der Linie 10 vor. Er war leer. (...) Die Frau trippelte
zum Einstieg. Er war viel zu hoch...
« Mach schon, Oma », rief der Fahrer.
Ich lief zu ihr und half ihr hinein. (...) Ich sah noch, dab
die Frau beim Anfahren taumelte.
Ich nahm meinen Beutel von der Bank.
Jetzt stand ich allein an der Haltestelle. Ein drückend schwüler Tag. |
Die Szene spielt an einer Bushaltestelle. An der Haltestelle sind nur eine Journalistin
und eine ältere Frau. Auffallend ist, dass die alte Frau sehr müde ist. Man sieht es
daran, dass sie sich auf die Bank setzt,
um sich
auszuruhen. Man sieht es auch daran, dass es ihr
schwerfällt, den Reißverschluss
ihrer Handtasche aufzuziehen. Man erfährt auch, dass die Füße
der alten Frau geschwollen sind. Auberßem
leidet sie unter der Hitze. Man merkt es daran, dass sie sich die Stirn tupft. Die
Szene spielt nämlich an einem schwülen Tag.
Die
alte Frau meint, dass es scheußlich
ist, alt zu sein. Es ist klar, dass sie unglücklich ist, denn niemand interessiert sich für sie und ihr
Leben. Sie beklagt sich darüber, dass die Kinder ihre Eltern in Altersheime stecken, um sie loszusein.
Sie hat das Gefühl, dass ihre Kinder sie im Stich lassen. Außerdem
wirft sie den Kindem vor, dass sie ihre Eltern selten besuchen. Die alte Frau fügt hinzu,
dass Besuche wichtig sind. Es ist klar, dass alte Menschen oft allein sind. Sie langweilen
sich und fühlen sich einsam. Deshalb haben sie es gern, dass man ihnen
Gesellschaft leistet. Die alte Frau beklagt sich auch darüber, dass die Kinder sie nicht
zum Kaffeetrinken einladen. Das Kaffeetrinken ist eine deutsche Tradition. Die alte
Frau erklärt, dass die Kinder ihnen "Geld unter die Nachttischdecke stecken".
Sie meint damit, dass die Kinder ihnen Geld geben, um
ihr Gewissen zu beruhigen.
Dann
wendet sich die
alte Frau direkt an die
Journalistin. Sie fragt : "Wo ist ihre Mutter ? und ihr Vater
?" Die Journalistin erwidert, dass sie tot sind. Die alte Frau meint, dass die
Journalistin Glück hat. Man kann vermuten, dass die alte Frau meint, dass die
Journalisten ihre Eltern endgültig los ist. Sie ist von ihren Eltern befreit, das heißt,
ihre Eltern sind keine Last mehr für sie.
Der Bus kommt. Der Busfahrer sagt : "Mach schon, Oma !" Der
Busfahrer ist unhöflich. Er duzt die alte Frau und hat keinen Respekt vor
ihr.
Darüber hinaus
nimmt er keine Rücksicht auf sie, denn er
fährt sofort los. Er wartet nicht darauf, dass die alte Frau sitzt.
Die Journalistin wiederholt den Satz : "Ein drückend schwüler Tag" Aber diesmal meint sie nicht mehr die Hitze. Sie
spricht von der Atmosphäre. Man kann vermuten, dass die Worte der alten Frau auf ihrem
Gewissen lasten. |