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Von der Restauration bis zur Auflösung des Deutschen Bundes
Die Rückkehr zum Absolutismus Die restaurative Politik des Deutschen Bundes Nach der endgültigen Auflösung der Nationalversammlung in Frankfurt machten sich die preubischen und österreichischen Herrscher daran, die vorrevolutionären politischen Verhältnisse wiederherzustellen. Wie der preubische König es formulierte, strebten die reaktionären Kräfte danach, "den demokratischen Schmutz des Jahres der Schande aus den Landesverfassungen zu entfernen". In Preuben wurde 1850 eine Verfassung erlassen, die dem Volk wichtige Grundrechte gewährte. Doch bedeutete die Einführung des Dreiklassenwahlrechts für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus eine starke Einschränkung der demokratischen Freiheit. In Österreich bekräftigte Kaiser Franz Joseph seine Absicht, zur absolutistischen Regierungsweise zurückzukehren, indem er am 31. Dezember 1851 die Verfassung von 1849 aufhob. Statt der Nationalversammlung des Volkes trat in Frankfurt wieder der Bundestag mit den Gesandten der Fürsten zusammen. Die Grundrechte des deutschen Volkes wurden aufgehoben. Am 23. August 1851 verfügte die Bundesversammlung auf Antrag der beiden Grobmächte Preuben und Österreich, dass die Landesregierungen "die seit 1848 geschaffenen staatlichen Einrichtungen und gesetzlichen Bestimmungen auf ihre Übereinstimmung mit den Bundesgesetzen zu prüfen und diese Übereinstimmung unverzüglich herzustellen" hatten. Dieser sogenannte Bundesreaktionsbeschluss sah die Gründung eines Reaktionsausschusses vor, der für die Einhaltung des Gesetzes sorgen sollte. Auch Liechtenstein wurde vom Reaktionsausschuss aufgefordert, den Beschluss der Nationalversammlung auszuführen und seine Gesetze mit denen des Bundes in Einklang zu bringen.
Der liechtensteinische Reaktionserlass von 1852Zwar wäre Fürst Alois II. bereit gewesen, im konstitutionellen Sinne zu regieren, doch gewann seine österreichische und bundestreue Gesinnung die Oberhand, und am 20. Juli 1852 gab er einen Erlass heraus, in dem er die Übergangsbestimmungen von 1849 "als mit den gegenwärtigen Verhältnissen nicht vereinbarlich" für nichtig und die landständische Verfassung von 1818 für die allein gültige erklärte. Wider Erwarten führte die Veröffentlichung des fürstlichen Erlasses zu keinem Aufstand im Fürstentum. Dies war gewiss der Tatsache zuzuschreiben, dass sich die Liechtensteiner "in die zwingenden Umstände" fügten, doch entscheidend für die Reaktionslosigkeit der Bevölkerung war die wenige Tage zuvor zustande gekommene Zolleinigung mit Österreich, die den Reaktionserlass in den Hintergrund treten lieb.
Die Zollunion mit Österreich Am 5. Juni 1852 wurde der österreichisch-liechtensteinische Zoll- und Steuereinigungsvertrag in Wien abgeschlossen, am 5. Juli fand der Austausch der Ratifikationsurkunden statt und am 1. August wurde der Zollanschluss effektiv. In der Präambel des Vertrags wurde auf die Bedingungen eingegangen, die dessen Entstehung herbeigeführt hatten. Der Vertrag wurde abgeschlossen, "um den Zustand der Absonderung aufhören zu machen, in welchem das Fürstentum Leichtenstein gegenüber dem übrigen Deutschland sich befindet, und um zwischen den stammverwandten Gebieten von Vorarlberg und Liechtenstein vollkommen freien Verkehr herzustellen." Eine wesentliche Bestimmung der Zollunion war, dass Österreich sich bemühen würde, Liechtenstein an allen bestehenden und kommenden Handelsverträgen und Zolleinigungen teilhaben zu lassen. Auberdem versprach Österreich, bei Handelsverträgen mit der Schweiz oder mit den Kantonen Graubünden und St. Gallen auf die liechtensteinischen Interessen Rücksicht zu nehmen und den Fürsten um seine Zustimmung zu ersuchen. Dieser Wille, die liechtensteinische Souveränität nicht anzutasten und auf gleichem Fub zu verhandeln, schlug sich in den Zoll- und Finanzbestimmungen des Vertrags nieder.
Das ZollwesenDer österreichische Zollposten in Gallmitz und der liechtensteinische Zollposten in Schaanwald wurden abgeschafft. Dafür wurden in Balzers und in Bendern Zollämter errichtet. Laut Artikel 3 wurden die Zollämter in Liechtenstein "mit beiden Wappen versehen" "Die Grenzsteine und Schlagbäume trugen von nun an die liechtensteinischen Farben. Die im Fürstentum arbeitenden Zöllner galten als kaiserliche und fürstliche Beamten, wurden aber von der österreichischen Regierung ernannt und bezahlt. Doch wies Artikel 4 des Vertrags darauf hin, dab die Zollbeamten "dem Fürsten Treue und Gehorsam" schuldeten. Ihre Uniform war die der österreichischen Zöllner, aber sie trugen die Kokarden beider Länder.
Die finanziellen VereinbarungenIndem Alois II. diesen Vertrag unterzeichnete, verpflichtete er sich dazu, auf das bisher in Liechtenstein geltende Zollsystem zu verzichten, denn "Seine Durchlaucht der souveräne Fürst von Liechtenstein treten mit dem Fürstentume Liechtenstein dem österreichischen Systeme der Zölle, Staatsmonopole, Verzehrungssteuern und der Stempel auf Kalender, Zeitungen und Spielkarten bei, wie solches namentlich im Kreise Vorarlberg... dermalen besteht". Artikel 12 des Vertrags zwang ferner den Fürsten, "im Fürstentum das im Vorarlberg in Kraft stehende Mab- und Gewichtssystem und das Geldsystem einzuführen". Liechtenstein wurde aber nicht angehalten, das österreichische Papiergeld zu gebrauchen. Österreichische Beamte waren damit beauftragt, das Weg- und Brückengeld einzutreiben. Das Geld wurde dann dem liechtensteinischen Schatz überwiesen. Über den heiklen Punkt der Industrie- und Handelspatente war auch eine Einigung erzielt worden. Österreichische sowie liechtensteinische Patente waren fortan in beiden Ländern gültig.
Die Erneuerung des VertragsDie Liechtensteiner nahmen die gerade verwirklichte Zollunion mit gemischten Gefühlen auf. Dies wurde besonders deutlich, als es 1863 darum ging, den Zollvertrag zu erneuern. In dem Bericht einer Landtagskommission aus dem Jahre 1863 wurde die Wende in der wirtschaftlichen Kooperation zwischen beiden Ländern begrübt, denn "der Zolleinigungsvertrag öffnet dem Liechtensteiner die ganze österreichische Monarchie zu freiem Handel und Wandel" und "die Auflösung des Zolleinigungsvertrags mit Österreich bringt in unserem Staatsbudget einen Ausfall von wenigstens 14000 Gulden." Nicht alle aber teilten denselben Standpunkt. Aus der Petition der Schaaner Bürger gegen den Zollvertrag vom 29. 1. 1863 geht hervor, dass manche es vorgezogen hätten, "mit der Schweiz, mit der wir schon unter jetzigen erschwerten Zollverhältnissen weit mehr verkehren, einen Zoll- und Handelsvertrag abzuschlieben". Die Schaaner beklagten die Verteuerung des Lebens, wobei unterstrichen wurde, dass "ein armer Vater mit einigen Familiengliedern ebensoviel Steueropfer bringen muss als der Reiche". Auch wurde an der Haltung der Finanzwache Anstob genommen : "Die vielen Schikanen und unangenehmen Auftritte von Seite der Finanzwache haben schon längst bei gar vielen Antipathie erregt." Im Laufe der Jahre wurde sich der Grobteil der liechtensteinischen Bevölkerung dessen bewubt, dass aus der entstandenen Zollunion mehr Vor- als Nachteile erwuchsen. Vielen wurde klar, dass "eine Auflösung des Zollverhältnisses zu Österreich nicht eine blobe Rückkehr in die frühere Isolierung bedeuten dürfe" und dass der Zollvertrag zu einer Steigerung der staatlichen Einnahmen beitrug und das Land zum wirtschaftlichen Gedeihen verhalf. Am 24. Dezember 1863 wurde der Vertrag um weitere zwölf Jahre verlängert. Nach einigen Änderungen, die den Liechtensteinern zugute kamen, und nach der Ratifizierung durch Alois II. stimmte der Landtag mit zwölf Stimmen gegen 3 für die Erneuerung der Zollunion.
Die Reformen unter Alois II. Die Petition der Gemeinden von 1856 In dem Reaktionserlass von 1852 hatte Fürst Alois II. versprochen, den Landrat als beratendes Gremium fortbestehen zu lassen und das Problem der Zehntablösung möglichst bald zu lösen. Doch war dieses Versprechen bis jetzt nie eingehalten worden. In ihrem "Promemoria" vom 30. August 1856 baten die Gemeinden den Fürsten darum, "das fürstliche Wort zur Ausführung und zur Wahrheit" zu bringen. Die ZehntfrageAuch wenn er sich in bezug auf die Zehntfrage anfangs zurückhaltend gezeigt hatte, bat Menzinger schlieblich den Fürsten, "die am 20. Juli 1852 versprochene paritätische Kommission zur Beratung der Zehntablösung [...] ins Leben zu rufen". Aber schon am 31. Juli 1852 hatte der Fürst die Gründung der Kommission bewilligt und das Regierungsamt angewiesen, die erforderlichen Mabnahmen zu ergreifen. Unglücklicherweise waren seine Anordnungen "in der Vielzahl der übrigen Geschäfte, insbesondere bei der gerade stattfindenden Einführung des Zollvertrags, untergegangen : dass die Zehnfrage über Jahre hinweg liegenblieb, beruhte also vorerst auf einem Versehen des Regierungsamtes !" Die Einberufung der LandständeDie Forderung der Gemeinden, den Landrat wieder einzuberufen, hielt Menzinger für berechtigt und verwandte sich beim Fürsten für die Bitte, indem er ihm mitteilte, "dab zumal in einem vom Regenten soweit entfernten Lande, und bei dessen abnormen Verhältnissen eine den Zeitumständen und Interessen des Volkes entsprechende Verfassung und Vertretung sehr förderlich seyn würde". Aber seines Erachtens sollte der Volksvertretung nur eine beratende Funktion zugeschrieben werden. Die Souveränität des Fürsten sollte nicht in Frage gestellt werden und die Entscheidungsgewalt sollte einzig und allein dem Fürsten zuerkannt werden. Die Bitte der Gemeinden um die Wiederaufnahme der landständischen Tätigkeit kam dem Fürsten sehr gelegen, da er beabsichtigte, eine neue Steuer zu erheben, um das Staatsbudget auszugleichen. Am 14. Oktober 1857 fand eine Sitzung des alten Landtags statt, der keine andere Wahl hatte als das Steuerpostulat anzunehmen. Die Gemeindevertreter nutzten aber die Gelegenheit und baten in einem speziellen Protokoll den Fürsten darum, die Einführung "der schon oft erbetene(n) Landesverfassung" mit frei gewählter Volksvertretung und Mitbestimmungsrecht sowie die Modernisierung des Schulwesens zu fördern. Wenn dem ersten Begehren der Liechtensteiner keine Folge geleistet werden konnte, zeitigte ihre Bitte um eine Reform des Schulwesens doch einigen Erfolg. Das SchulwesenEs war tatsächlich dringend notwendig, dab im schulischen Bereich etwas zur Hebung des Bildungsniveaus unternommen wurde. Schon 1852 machte Menzinger den Fürsten darauf aufmerksam, das Schulwesen sei "bedeutend gesunken, weil die Ungebundenheit wie überall so auch in diesem Betreff nur Nachtheile gebracht" habe. Menzinger beauftragte Kurat Josef Anton Wolfinger damit, ein Schulgesetz auszuarbeiten, das 1852 dem Fürsten vorgelegt wurde. Zwar zeigte sich der Fürst mit dem ihm vorgeschlagenen Schulplan zufrieden, aber zur Verabschiedung eines Gesetzes kam es nicht. Hinzu kam, dass in einzelnen Gemeinden das Lehrpersonal seit Jahren nicht mehr bezahlt wurde. Zwar war 1853 eine zweite Mädchenschule in Schaan eröffnet worden und somit eine nicht zu verachtende Verbesserung eingetreten, aber 1857 mussten die Landstände erneut den kümmerlichen Zustand des Schulwesens beklagen. Daraufhin machten sich das Regierungsamt und der neue Schuleninspektor ans Werk. Den Lehrern wurde eine Erhöhung ihrer Gehälter in Aussicht gestellt. Ein "Musterlehrer" erhielt die Aufgabe, einen provisorischen Lehrplan ins Leben zu rufen und die Lehrer zu unterweisen. 1858 wurde die erste Realschule in Vaduz eröffnet. Im gleichen Jahr lieb das Regierungsamt dem Fürsten einen neuen Schulgesetzentwurf zukommen. Auch im gleichen Jahr, als manche Lehrer die Drohung aussprachen, aus dem Dienst auszuscheiden, versprach Fürst Alois II. – der sich an der bevorstehenden Reform des österreichischen Schulwesens orientieren wollte – , sich eingehend mit der Schulfrage zu befassen. Doch starb Fürst Alois im Alter von 62 Jahren am 12. November 1858. Seine Nachfolge trat sein ältester Sohn Fürst Johannes II. an.
Fürst Johann II. und sein Reformwerk Fürst Johann II. von Liechtenstein wurde am 5. Oktober 1840 auf Schloss Eisgrub in Mähren geboren. Im Jahre 1858 übernahm er die Regentschaft und bis zu seinem Tod 1929 sollte er – wenn man von den Jahren 1859 und 1860 absieht, in denen er die Führung der Regierungsgeschäfte der Fürstinmutter anvertraute, um sein Studium zu beenden –einundsiebzig Jahre regieren. Wie sein Vater Alois II. genoss auch er eine vorzügliche Ausbildung. Er unternahm einige Auslandsreisen, die mit Studienaufenthalten verbunden waren. Er war "ein hervorragender Typus des aufgeklärten Fürsten, der es verstand, durch Freigebigkeit und Geschick dem Land soziale Erschütterungen zu ersparen und Schwierigkeiten mit dem Ausland von ihm abzuwenden". Von der sozialen Gesinnung des Fürsten zeugen die Gründung von sieben Unterstützungsfonds und zehn fürstlichen Spitälern auf den liechtensteinischen Gütern sowie sein aufgeschlossener Geist für fortschrittliche Reformen. Kaum war Fürst Johann an die Regierung gelangt, als die Liechtensteiner ihn am 31. Dezember 1858 anlässlich eines auberordentlichen Landtages ihn an die zu Lebzeiten seines Vaters formulierten Bitten erinnerten. Der junge Fürst nahm sie sofort in Angriff, ohne das Resultat der österreichischen Schulreform abzuwarten. Am 8. Februar 1859 gab Fürst Johann II. seine Unterschrift zu einem neuen Schulgesetz, das am 18. Juni in Kraft trat. Das neue Gesetz stützte sich weitgehend auf den im Jahre zuvor vorgelegten Entwurf. § Die Organisation der Schule Gewiss kam in den schulischen Fragen der Geistlichkeit nach wie vor eine wesentliche Rolle zu. Ein geistlicher Schulkommissär – früher Oberschuleninspektor genannt – sollte alle Schulen kontrollieren, der Ortspfarrer kümmerte sich um die Aufsicht der Ortschule und der dem Regierungsamt zugewiesene Schulrat stammte aus der Geistlichkeit. Doch oblag die Leitung des Schulwesens dem Regierungsamt und "in den Gemeinden verwaltete eine Lokalschulbehörde, die aus dem Pfarrer, dem Ortsvorsteher und dem Säckelmeister bestand, die Schule". In den Gemeinden wurden "Industrieschulen" und Gemeindebaumschulen" errichtet. Die "Industrieschulen" setzten sich zum Ziel, den Mädchen das Stricken, Nähen und Flicken beizubringen, "die Gemeindebaumschulen" sollten dafür sorgen, dass die Jungen die Obstbaumzucht erlernten. Zu den bisherigen Unterrichtsfächern – Religion, Lesen, Schreiben und Rechnen – gesellten sich neue Fächer wie Zeichnen und Gesang sowie "Gemeinnützige Kenntnisse aus der Naturgeschichte, Naturlehre, Geschichte, Geographie, Landwirtschaft, etc.". § Das Lehrpersonal Die Gehälter der Lehrer erfuhren eine durchschnittliche Erhöhung von 30%. Dafür wurde von ihnen gefordert, dass sie an halbjährlichen Konferenzen teilnahmen und schriftliche Arbeiten in der "Schulkunde" absolvierten. Waren die Leistungen ungenügend, so mussten sich die Lehrer einem Fortbildungskurs unterziehen. Für besonders tüchtige Lehrer waren jährliche Gratifikationen vorgesehen. § Die Schulpflicht Die auf dem Schulgesetz vom 5. Oktober 1827 basierende Schulpflicht verlangte von den Jugendlichen, dass sie bis zum vollendeten 12. Lebensjahr zur Schule gingen. Der Schulbesuch wurde bis zum angetretenen 14. Lebensjahr verlängert. Auch durfte die Sonntagsschule, deren Ziel "die tiefere Einprägung des in der Werktagsschule Erlernten mit zweckmäbiger Erweiterung des Unterrichtskreises, namentlich bezüglich der Geschäftstüchtigkeit der männlichen Jugend" war, nicht vernachlässigt werden. Wer die Sonntagsschule oder die Christenlehre versäumt hatte, lief Gefahr, dass das Regierungsamt ihm den öffentlichen Gewerbebetrieb oder die Ehewilligung vorübergehend verbot. Auch die tägliche und wöchentliche Schulzeit wurde geändert. Die tägliche Unterrichtszeit wurde um eine Stunde vermehrt und betrug fortan 5 Stunden, und den Schülern wurde nur noch ein halber schulfreier Tag gegönnt. Die Winterschule dauerte 6 Monate und die Sommerschule 3 Monate, so dass sich eine leichte Herabsetzung der jährlichen Schulzeit daraus ergab. Die durchgeführte Schulreform trug in den kommenden Jahren ihre Früchte. Das Schulwesen erlebte im Fürstentum "einen raschen Aufschwung, wobei es sich beträchtlich modernisierte" und seine Qualität konnte vorteilhaft an der der Nachbarstaaten gemessen werden : "Ein Vergleich der liechtensteinischen Schulsituation nach 1859 mit den umliegenden Staaten zeigt, dass Liechtenstein deren Niveau nun erreichte; gegenüber Österreich war es sogar fortschrittlicher."
Die VerfassungsfrageAuch im politischen Bereich zeigte sich der neue Regent gewillt, die Modernisierung des Fürstentums voranzutreiben, und die Landstände erhielten den Auftrag, einen Verfassungsentwurf anzufertigen. Die Landstände lieben den Fürsten wissen, dass die Ausarbeitung eines neuen Verfassungswerkes ihre Kompetenz überstieg und dass es am besten wäre, wenn die Landtagsversammlung Leute "nicht aus ihrer Mitte, sondern in freier Wahl aus dem bestandenen Landrathe oder weitere der Sache gewachsene Individuen wählen dürfe". Auch Landvogt Menzinger hielt eine Verfassungsgebung für erforderlich und sprach sich für deren baldige Schaffung aus, denn "die Verfassungsangelegenheit ist für Regent und Volk gleich wichtig; das Liechtensteinische Volk fasst die Sache sehr ernsthaft auf und wartet längst mit Sehnsucht auf eine angemessene Verfassung" Aber er vertrat die Ansicht, dass ein Verfassungsentwurf nur von der Regierung selbst vorgeschlagen werden sollte und dass dem Landrat nur eine beratende Rolle zustand. Er ergriff also die Initiative und am 22. März 1859 fügte er seinem Bericht über den Landtag einen Verfassungsentwurf bei. Die ausschlaggebende Konzeption von Menzingers Vorschlag war die Unantastbarkeit der fürstlichen Souveränität. Dem Fürsten allein sollte das Recht gebühren, über die Grundfragen zu entscheiden. Dem Landrat gewährte er nur ein Beratungs- und Beschwerderecht, das letzte Wort behielt der Fürst. Menzingers konservative Einstellung fand auch in der Zusammensetzung des Landtages ihren Niederschlag. An der bisherigen Organisation des Landtages wurde nichts geändert. Der Landtag sollte nach wie vor aus fünfzehn Abgeordneten bestehen : elf Abgeordnete sollten vom Volk und drei von den Geistlichen gewählt werden. Der fünfzehnte Abgeordnete sollte vom fürstlichen Rentamt in Vaduz ernannt werden. Der Landesvermesser sollte mit der Leitung des Landrates betraut werden, um den Landrat "von etwaigen Überschreitungen und Mibgriffen" abzuhalten. Da der Fürst vorübergehend auf die Regentschaft verzichtete und die Fürstinmutter für beinahe zwei Jahre die Führung der Geschäfte in die Hand nahm, wurde die Regelung der Verfassungsfrage noch einmal hinausgezögert. Erst als der Fürst die Herrschaft wieder antrat, stand die Schaffung einer dem Zeitgeist angemessen Verfassung erneut auf der Tagesordnung.
Die ersten Schritte zur Schaffung einer neuen VerfassungStets waren die liechtensteinischen Fürsten darauf bedacht gewesen, mit dem österreichischen Nachbarn Schritt zu halten. Wiederum zog der Wandel in der österreichischen Innenpolitik eine Änderung der liechtensteinischen Gegebenheiten nach sich. Österreich hatte mit "dem Oktoberdiplom" vom 20. Oktober 1860 der absolutistischen Regierungsweise abgeschworen und den ersten Schritt zum Konstitutionalismus getan. Fürst Johann II., der am 3. November 1860 wieder an die Macht gekommen war, betrachtete die österreichische politische Entwicklung mit Wohlwollen und nutzte die Gelegenheit, um sein Versprechen vom 2. November 1860, im "Geiste der Gerechtigkeit, der Ordnung und des Fortschritts" zu regieren, einzuhalten. Johann II. beschloss zuerst, die Verwaltung zu erneuern. Er begann damit, den alternden Menzinger durch einen "jüngeren, auberordentlich tüchtigen Verwaltungsbeamten" zu ersetzen. Anfang April übernahm also Karl Freiherr Haus von Hausen das Amt des Landesverwesers. Kaum hatte von Hausen seinen Dienst angetreten, da erinnerten ihn die Gemeindevertreter an die Notwendigkeit einer neuen Landesverfassung. Der neue Landesverweser war auch davon überzeugt, dass die alte landständische Verfassung den neuen Zeitumständen nicht entsprach. : "Das Ländchen Liechtenstein, wenn auch der kleinste monarchische Staat, wurde von dem Zeitstrome gleich andern Staaten fortgerissen, und was grobe Monarchien nicht aufzuhalten vermochten, dasselbe wird auch hier nicht möglich sein." Infolgedessen hielt er die Bitte der Liechtensteiner für durchaus berechtigt und machte sich daran, einen neuen Verfassungsentwurf auszuarbeiten. Von Hausen war bemüht, dem österreichischen Vorbild zu folgen, und gründete seinen Entwurf auf das vorarlbergische Modell. Am 11. August 1861 übersandte er den neuen Verfassungsentwurf und im beigelegten Brief unterrichtete er den Fürsten über den dem Entwurf zugrundeliegenden Gedanken : "Bei der Ausarbeitung des Entwurfes lieb ich mich von dem Gedanken leiten, die der Provinz Vorarlberg in der Landesordnung vom 26. Februar 1861 durch kaiserliches Diplom eingeräumte[n] Rechte auf das Fürstentum zu übertragen, und es den hiesigen Verhältnissen anzupassen".
Die Verfassung vom 26. September 1862
Die Präambel Zweifelsohne bedeutete die Verfassung von 1862 die Abkehr vom Absolutismus und einen ersten Schritt in Richtung auf eine demokratische Staatsauffassung. Doch fällt die dem Verfassungstext anhaftende konservative Geisteshaltung auf den ersten Blick auf, wenn man sich die Präambel ansieht, die Pierre Raton als "altehrwürdig" bezeichnet. Gleich eingangs wurde die Unantastbarkeit der fürstlichen Souveränität hervorgehoben, indem daran erinnert wurde, dab Johann II. ein "von Gottes Gnaden souveräner Fürst" war. Wenn auch darauf hingewiesen wurde, dass die Verfassung "mit Beirath und vertragsmäbiger Zustimmung des einberufenen Landtages", also mit Rücksichtnahme auf die Wünsche des Volkes und gegenseitigem Einverständnis zustande gekommen war, wurde nachdrücklich betont, dass die Verfassung allein dem Wohlwollen des Fürsten zu verdanken war, und die Verfassung war also als "Gnadenbeweis gegenüber dem Volk" auszulegen.
Die Grundrechte des Bürgers Laut Artikel 7 waren alle Landesangehörigen vor dem Gesetz gleich. Artikel 8 sicherte dem einzelnen die Freiheit der Person und der äuberen Religionsausübung zu und versprach die baldige gesetzliche Regelung der Pressefreiheit sowie des Vereinsrechts. Artikel 9 bezog sich auf die gerichtlichen Rechte des Bürgers. Laut diesem Artikel durfte niemand "in der Regel seinem ordentlichen Richter entzogen und anders als in den durch das Gesetz bestimmten Fällen verhaftet und bestraft werden. Auber der Ergreifung auf frischer Tat darf die Verhaftung nur in Kraft eines amtlichen Befehls vollzogen werden." Überdies sollten die Gerichte laut Artikel 37 ihre Entscheide und Urteile rechtfertigen. In der Verfassung waren auch das Hausrecht, das Beschwerderecht wegen gesetzwidrigem Vorgehen einer Behörde, das Recht der Petition an den Landtag sowie das Recht der Niederlassungsfreiheit im ganzen Land verankert. Das Wahlrecht stand allen männlichen Bürgern zu, die das 24. Lebensjahr erreicht hatten. Sie sollten ferner im Vollgenuss der bürgerlichen Rechte stehen und "einen Beruf für sich auf eigene Rechnung" haben. Bürger, die zahlungsunfähig oder sich vor Gericht zu verantworten hatten, "verurteilt oder nur mangels an Beweisen freigesprochen waren, Armenunterstützung genossen oder bevormundet waren" durften nicht wählen. Artikel 60 schloss auch diejenigen, die "im dienstbaren Gesindeverhältnisse zu einer anderen Person" standen, vom Wahlrecht aus. Den Dienern und den Knechten war das Wahlrecht also verweigert.
Die Rechte des Fürsten Artikel 2 der Verfassung brachte den konservativen Charakter der Verfassung erneut zum Ausdruck. "Der Landesfürst ist Oberhaupt des Staates, vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie unter den in gegenwärtiger Verfassungsurkunde festgesetzten Bestimmungen aus." Artikel 2 unterstrich, dass die Person des Fürsten "heilig und unverletzlich" war. Artikel 23 beschäftigte sich mit den Rechten des Fürsten in bezug auf die Beziehungen des Landes zu den anderen Staaten. Dem Fürsten kam eine Vertretungsfunktion zu und er war für die Aubenpolitik verantwortlich. Ehe er Verträge mit anderen Ländern abschloss, sollte er jedoch das Einverständnis des Landtages einholen und wenn ihm allein das Recht zustand, einem anderen Staat den Krieg zu erklären, war er auf die Zustimmung des Landtages angewiesen, um das Militär ausheben zu können. Der Fürst besab auberdem das Notverordnungsrecht, das heibt, das Recht, zur Bannung einer Gefahr die Vorkehrungen zu treffen, die er für angebracht hielt, ohne die bestehenden Gesetze zu berücksichtigen und ohne den Landtag zu Rate zu ziehen. In der Gesetzgebung kamen dem Fürsten und der Volksvertretung die gleichen Rechte zu. Beide verfügten über die Gesetzesinitiative, und laut Artikel 24 konnte ohne die Erlaubnis des Landtags kein Gesetz "gegeben, aufgehoben, abgeändert oder authentisch erklärt werden".
Der Landtag Er war "das gesetzmäbige Organ der Gesamtheit der Landesangehörigen" und bestand aus 15 Mitgliedern. Zwölf Abgeordnete wurden vom Volk gewählt und 3 – in Anlehnung an das österreichische Vorbild – vom Fürsten ernannt. Die Wahl der Abgeordneten unterlag einem indirekten Wahlverfahren. "Die wahlberechtigten Männer jeder Gemeinde wählten zuerst pro 100 Einwohner zwei Wahlmänner [...]. Die Wahlmänner sämtlicher Gemeinden wählten darauf in einer Wahlmännerversammlung die Abgeordneten." Das Mandat der Abgeordneten betrug sechs Jahre. Die Hälfte des Landtags wurde aber alle drei Jahre erneuert, "wobei das erstemal das Los, danach der Turnus den Austritt bestimmte". Der Landtag trat drei - bis sechsmal im Jahr zusammen und schritt bei der Eröffnung zur Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten, die dann vom Fürsten in ihrer Funktion bestätigt werden sollten. Der Landtag war dazu ermächtigt, bei der Gesetzgebung mitzuwirken und das Staatsbudget zu prüfen und zu genehmigen. Die Regierung Sie hatte ihren Sitz in Vaduz und setzte sich aus dem Landesverweser, zwei Landräten und einem Sekretär zusammen. Die Tätigkeit der Wiener Hofkanzlei beschränkte sich von nun an hauptsächlich darauf, die Berichte an den Fürsten weiterzuleiten. Die drei Regierungsmitglieder wurden vom Fürsten ernannt und waren dem Landtag verantwortlich. Der Landesverweser war der "Chef der Regierung" und hatte die Oberaufsicht über das Militär. Die Regierung war dazu befugt, eigene Beschlüsse zu fassen. Das Gerichtswesen Die drei Instanzen waren das Landgericht, das seinen Sitz im Land selbst hatte, die Hofkanzlei in Wien, die als Appellationsgereicht fungierte, und das österreichische Oberlandesgericht zu Innsbruck, das den obersten Gerichtshof bildete. Die Verfassung garantierte die Unabhängigkeit der Gerichte, aber in der Praxis war die Trennung der Gewalten nur zum Teil gewährleistet, da die Beamten der Wiener Hofkanzlei vom Fürsten ernannt und entlassen wurden. Darüber hinaus besab der Landesverweser ein Aufsichtsrecht über die Rechtsprechung und wenn Militärpersonen vor Gericht erschienen, "erhielt der Kontingentskommandant – bei Offizieren der Landesverweser – Sitz und Stimme im Landgericht" Als am 5. Oktober 1862, dem Geburtstag des Fürsten, die neue Verfassung im Fürstentum veröffentlicht wurde, bestand Einstimmigkeit in der Beurteilung der erzielten Freiheiten. Bei der ersten Sitzung des Landtags, die am 29. Dezember 1862 stattfand, pries Landtagspräsident Dr. Karl Schädler die neue Verfassung, denn "Seine Durchlaucht hat uns eine Verfassung gewährt, in welcher das segenvolle Prinzip der gesetzlichen Freiheit zur Geltung kommt."
Das Gemeindegesetz vom 24. Mai 1864Besaben die Liechtensteiner nun eine konstitutionelle Verfassung und war damit einer ihrer sehnlichsten Wünsche in Erfüllung gegangen, so empfanden sie die Reform des Gemeindewesens auch als dringend notwendig. Mit dem Gemeindegesetz vom 24. Mai wurden einschneidende Änderungen vorgenommen, die den Gemeinden "ein vernünftiges Repräsentativsystem" bescherten. An der Spitze der Gemeinden stand ein von der Gemeindeversammlung auf drei Jahre gewählter Gemeinderat, der sich aus dem Ortsvorsteher, dem Kassier und – je nach Gröbe der Gemeinde – drei bis sieben Gemeinderäten zusammensetzte. Die Gemeinden verfügten über politische Selbstbestimmung und konnten das Gemeindevermögen nach Belieben verwalten. Gewiss behielt sich die Regierung das Recht vor, jeder Misswirtschaft vorzubeugen, doch von einer Bevormundung konnte nicht mehr die Rede sein. Das Gesetz vom 24. Mai wurde durch das Gesetz vom 20. Oktober ergänzt, das die Gemeinden ermächtigte, einen Ortsschulrat zu wählen und ihnen die Möglichkeit gab, das Schulwesen mitzugestalten.
Mit dem von Fürst Johann II. unternommenen Reformwerk zeigten sich die Liechtensteiner zufrieden. Die neue Verfassung – auch wenn sie aus heutiger Sicht einige Mängel erkennen lässt – erwies sich als durchaus fortschrittlich und der Landtag konnte in den darauffolgenden Jahren "eine eifrige, selbständige Tätigkeit" entfalten. Auch die Haltung des Fürsten trug zur allgemeinen Befriedigung bei. Den Beschlüssen des Landtags stimmte er ohne Vorbehalte zu und mit der Wahl des Präsidenten zeigte er sich im voraus einverstanden. Dass er als "Johann der Gute" in die Geschichte einging, ist ein guter Beweis für die Dankbarkeit, die das liechtensteinische Volk ihm zollte.
Der Anbruch des Industriezeitalters
Als 1769 James Watt die Dampfmaschine erfand, schuf er die technischen Voraussetzungen für den Beginn des industriellen Zeitalters. Die daraus resultierende Mechanisierung der Arbeit sowie der Bau der ersten Eisenbahnen leiteten eine neue wirtschaftliche Ära ein. Hatte die Industrialisierung in Deutschland schon 1785 angefangen, als Friedrich der Grobe Dampfmaschinen für den preubischen Bergbau einsetzte, und waren in der Ostschweiz und im österreichischen Vorarlberg die ersten Anzeichen für die sich anbahnende wirtschaftliche Revolution schon 1830 erkennbar, so begann die Industrialisierung in Liechtenstein erst um 1860, denn "erst nachdem das Fürstentum 1852 in den groben Wirtschaftsraum des angrenzenden österreichischen Kaiserstaates einbezogen worden war, konnten Industriebetriebe entstehen. Ein weites Absatzgebiet war nun erschlossen." Der Bau von neuen Straben, die Verbesserung der vorhandenen Verkehrswege sowie die Errichtung von Brücken über den Rhein ab 1867 förderten den Warenaustausch und trugen somit zum wirtschaftlichen Aufblühen des Landes bei.
Die Tonwarenindustrie1836 hatte Philipp Albert Schädler in Nendeln eine kleine Hafnerei gegründet, die sich dann zu einer exportorientierten Tonwarenfabrik entwickelt hatte. In den 60er Jahren waren Vorarlberg und die Schweiz die zwei Absatzgebiete für die hergestellten Kachelöfen und Drainage-Röhren. Die Fabrik unterhielt anfangs fünf bis sechs Arbeiter und "war gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einem kleinen Industriebetrieb aufgestiegen".
Die StickereiindustrieSchon um 1850 besab das Fürstentum eine Stickereiindustrie, "die bedeutendste nichtlandwirtschaftliche Erwerbsquelle für die Bevölkerung". Die Sticker kauften die Stickmaschinen und die Stickarbeit wurde zu Hause ausgeführt. Die Arbeiter wurden schlecht bezahlt und die Mehrheit der Sticker war also gezwungen, einer anderen, landwirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Zwar blieb die Stickerei in Liechtenstein "bis zum Ersten Weltkrieg der bedeutendste Gewerbszweig", aber "dem Versuch, die Stickerei im Lande fabriksmäbig zu betreiben, war nie ein durchschlagender Erfolg beschieden."
Die BaumwollwebereiDie Aussicht, Zugang zum österreichischen Wirtschaftsgebiet erhalten zu können, veranlasste schweizerische Unternehmer, sich in Liechtenstein niederzulassen, um so mehr, als das Fürstentum weitere Vorteile brachte : die Arbeitskräfte waren billig und die Wasservorkommen günstig. 1861 gründete die schweizerische Firma Weilenman und Co. im Mühleholz in Vaduz die erste Baumwollweberei, die 100 Maschinenwebstühle zählte und 21 Arbeiter – 18 weibliche und 3 männliche – beschäftigte. 1863 eröffnete die Firma Kirchthaler und Dürst ebenfalls eine Baumwollweberei in Triesen und im gleichen Jahr errichtete Kaspar Honegger – der frühere Geschäftsführer der Weberei Weilenmann und Co. – eine eigene Baumwollweberei in Mühleholz.
Die Auflösung des Deutschen Bundes Der preubisch-österreichische Konflikt Als König Friedrich VII. von Dänemark 1863 beabsichtigte, das Herzogtum Schleswig von Holstein und Lauenburg zu trennen, um es dem dänischen Staat einzuverleiben, stieb er auf den Widerstand Preubens und Österreichs. Da Dänemark auf seinem Vorhaben bestand, erklärten ihm die beiden Grobmächte den Krieg. Der dänische König wurde besiegt und musste 1864 im Frieden zu Wien die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an Preuben und Österreich abtreten. Um eventuellen Streitigkeiten zuvorzukommen, einigten sich beide Grobmächte 1865 im Vertrag von Gastein auf einen Kompromiss : Österreich übernahm die Verwaltung Holsteins, Preuben die von Schleswig. Als Österreich vom Bundestag in Frankfurt am Main verlangte, aus den beiden Herzogtümern einen neuen Bundesstaat zu machen, legte Bismarck – der schon lange "die Donaumonarchie aus Deutschland auszuschlieben beabsichtigte" – diesen Antrag als einen Verstob gegen den Vertrag von Gastein aus und lieb Truppen in Holstein einmarschieren. Auf Veranlassung des Vielvölkerstaates verurteilte der Bundestag den Einsatz der preubischen Truppen. Preuben beschloss, aus dem Deutschen Bund auszuscheiden, und trat am 21. Juni 1866 mit der Unterstützung der italienischen Truppen gegen Österreich in den Krieg.
Liechtenstein und der preubisch-österreichische KonfliktDer liechtensteinische FeldzugFürst Johann II. hatte das Oberkommando über das Kontingent. Er wollte verhindern, dab die Liechtensteiner sich gezwungen sahen, gegen die "deutschen Brüder" zu kämpfen, und hielt es für das beste, das liechtensteinische Kontingent gegen Italien "für die Verteidigung des deutschen Landes Tirol" zu mobilisieren. Am 26. Juli 1866 marschierten die achtzig Männer der liechtensteinischen Truppe ins Tirol ein. Aber der Kampf mit den italienischen Truppen blieb aus, denn zwischen Preuben und Österreich, dem in der Schlacht bei Königgrätz eine schwere Niederlage zugefügt worden war, war schon am 13. August ein Waffenstillstand unterzeichnet worden. Am 4. September trafen die liechtensteinischen Männer wieder in Vaduz ein und am folgenden Tag wurde das Kontingent entlassen.
Liechtenstein und die Auflösung des Deutschen Bundes
![]() Liechtenstein blieb von allen Friedens- und Bündnisverträgen ausgeschlossen. Die Auflösung des Deutschen Bundes hatte zur Folge, dab der Fürst von seinen Bindungen befreit war, und "offenbar änderte das Ende des Deutschen Bundes am Leben des Fürstentums kaum etwas, auber dab die Bundes- und Gesandtschaftskosten, die militärische Bundespflicht und damit vor allem die Schwierigkeiten mit dem Bund wegen des Kontingents dahin fielen und man sich noch freier fühlte". Liechtenstein verfügte nun über "seine völlige Selbständigkeit" und Johann II. konnte am 12. Februar 1868 das Kontingent auflösen, für dessen Unterhaltskosten er selbst aufkam, und im selben Jahr wurde der Militärdienst abgeschafft und bis heute nie wieder eingeführt. Aubenpolitisch wandte sich das Fürstentum dem Nachbarstaat Österreich zu. Am 13. Juni 1867 verzichtete Liechtenstein zusammen mit Österreich auf das Münzabkommen vom 24. Januar 1857, das eine gemeinsame Geldeinheit für den gesamten Deutschen Bund vorsah, und übernahm das österreichische Währungssystem. 1868 "schloss es, vertreten durch Österreich, Handelsverträge mit der Schweiz und dem Deutschen Zollverein ab. Diese Verträge bestätigten einerseits die liechtensteinische Souveränität, taten andererseits aber auch die aubenpolitische Anlehnung an Österreich dar, welche sich in der Folge noch verstärkte."
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