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Die revolutionäre Welle in Europa Die Revolution in Frankreich Unter König Ludwig Philipp waren von den 32 Millionen Franzosen nur 241000 zur Wahl berechtigt. Dies war darauf zurückzuführen, dass das Wahlrecht das Grobbürgertum begünstigte und auf die höchsten Einkommensstufen beschränkt war. Ludwig Philipp verweigerte die Erweiterung des Wahlrechts auf die mittleren und unteren Schichten des Volkes, das heibt, auf das Kleinbürgertum und die Arbeiter. Nachdem die Regierung die auf den 22. Februar 1848 festgesetzte Demonstration für eine Wahlrechtsreform verboten hatte, ließ die Pariser Bevölkerung ihrem Unmut freien Lauf, indem sie am 23. Februar auf die Strabe ging. Ein Teil der Nationalgarde ging zu den Aufständischen über und der Königspalast wurde geplündert. Ludwig Philipp sah sich gezwungen, nach England zu fliehen, und Frankreich wurde zum zweiten Mal zur Republik ausgerufen. Die Ausbreitung der Revolution Die Erhebung gegen "das System Metternich" Auch in Wien, in dem die Zeitungen noch immer von der Zensur überwacht wurden, verbreiteten sich bald Gerüchte über revolutionäre Umwälzungen. Am 13. März 1848 brachen Demonstrationen aus. Ein langer Demonstrationszug begab sich zur Hofburg, dem Sitz des Kaisers. Abordnungen der Bürger und Studenten durften Kaiser Ferdinand ihre Forderungen nach Pressefreiheit und Parlament vortragen. Inzwischen hatten die Volksmassen begonnen sich zu bewaffnen, und in der Innenstadt wurden Barrikaden errichtet. Auch in den Wiener Vorstädten kam es zu schweren Unruhen, Polizeistuben wurden gestürmt, Fabriken in Brand gesetzt und sogar einige Beamte gelyncht. Das Volk forderte den Rücktritt des unbeliebten Metternich. Die kaiserliche Familie wollte ein Blutbad vermeiden und zog es vor, den Forderungen des Volkes nach Freiheit und Gleichheit nachzugeben, und "um der Volksstimmung ein Opfer zu bringen" wurde Metternich gebeten, seinen Rücktritt einzureichen. Die Protestbewegung in Deutschland Wie im Jahre 1830 breitete sich die revolutionäre Stimmung wie ein Lauffeuer aus und die Revolution griff auf Deutschland über. In Preuben begann das Volk, gegen die Einschränkung seiner politischen Rechte zu rebellieren, und obwohl König Friedrich Wilhelm IV. jeder demokratischen Reform abhold war, musste er schlieblich den Wünschen nach mehr Demokratie nachkommen und liberale Reformen ankündigen. Auch im übrigen Deutschland waren liberale Gedanken am Werk. In den Residenzen der Fürsten kam es zu Unruhen. Forderungen nach Verfassung und Parlament wurden laut und die Fürsten mussten nachgeben.
die revolution in liechtenstein Wiederum wirkten die Ereignisse im Ausland als Auslösungsfaktor für die neue revolutionäre Welle, die das Fürstentum erfassen sollte. Die Proklamation vom 19. März 1848 In Wien verfolgte Fürst Alois II. die Ereignisse mit besonderer Aufmerksamkeit. Schon die sich in Deutschland ausbreitenden Unruhen hatten ihn dazu bewogen, Menzinger, seinem Landvogt in Vaduz, zu empfehlen, "allen Grund zur Unzufriedenheit wo immer möglich zu beseitigen". Der Fürst war aber keineswegs gewillt, eine Störung der öffentlichen Ordnung zuzulassen, und der Landvogt wurde inständig gebeten, jede Ruhestörung nach Wien zu melden. Der Fürst machte kein Hehl daraus, dass er gegebenenfalls bereit war, einem Volksaufstand mit fremder Gewalt ein Ende zu setzen. Am 17. März 1848 beruhigte Menzinger den Fürsten, indem er ihn wissen lieb, dass es bisher "nicht die geringsten Spuren einer Aufregung" gab, beeilte sich aber hinzuzufügen, dass es dringend notwendig sei, Mabnahmen zur Förderung von "Verdienstmöglichkeiten im Inland" zu ergreifen, "denn Mangel an Arbeit und Not waren von jeher immer die mächtigsten Hebel aller Krawalle." Nach dem Aufruhr in Wien war Fürst Alois II. bestrebt, der Gefahr einer revolutionären Bewegung in Liechtenstein vorzubeugen. Am 19. März 1848 erlieb er eine Proklamation, in der er sich bereit erklärte, dem Beispiel des österreichischen Kaisers zu folgen und seinen Untertanen alle Rechte zu gewähren, die dem österreichischen Volk zuteil worden waren. In seinem fürstlichen Erlass rühmte Alois die Völker Österreichs als die "glücklichsten Deutschlands" und versprach, sich künftig "den Regierungssätzen des Kaiserstaates anzuschlieben" und sich "im Sinne jener Beschlüsse zu benehmen, welche Seine Majestät in den letzteren Tagen erlassen haben". Die Protestbewegungen im Fürstentum Noch ehe diese Nachricht im Fürstentum bekannt wurde, begannen sich die Gemüter in Mauren und in Balzers – "wo die Hefe des Pöbels das Banner führte", wie Menzinger an den Fürsten berichtete – zu erhitzen und man drohte, die Ausländer und die Beamten wegzuschaffen sowie sich über die Grundbücher und Archive herzumachen. Um eventuelle Ausschreitungen im Keime zu ersticken und die Revolution von oben an die Stelle jener des Volkes zu setzen, schlug Landvogt Menzinger vor, Ausschüsse wählen zu lassen und die von den Ausschüssen formulierten Anliegen an den Fürsten weiterzuleiten. Von Balzers aus wurde am 21. März 1848 Rektor Peter Kaiser in Chur gebeten, die Interessen der Aufbegehrenden in die Hand zu nehmen. Peter Kaiser Peter Kaiser wurde am 1. Oktober 1793 in Mauren als Sohn von Michael Kaiser und Maria Kaiser-Matt geboren. Er besuchte die Primärschule in Feldkirch. Der Primus Peter Kaiser zeichnete sich durch seine "vorzüglich guten Eigenschaften, und durch eine ebenso rühmliche Verwendung derselben" aus. Im Jahre 1810 besuchte er für 3 Jahre das Akademische Gymnasium in Wien. Anschliebend ging Peter Kaiser an die Philosophische Fakultät der Wiener Universität, um sich dem Studium der Religionswissenschaften, der Geschichte, der Mathematik, der Philosophie und der griechischen Philologie zu widmen. Von 1817 bis 1819 studierte er Jura an der Universität Freiburg im Breisgau. Ab 1819 unterrichtete er an verschiedenen schweizerischen Schulen Geschichte, alte Sprachen und Deutsch. Von 1823 bis 1835 war er an der Kantonschule Aarau tätig. 1835 zog er nach Graubünden, um einen Posten an der katholischen Kantonsschule Disentis zu übernehmen, welche 1842 nach Chur verlegt wurde. Seitdem er 1840 in Wien erschienen war, um dem Fürsten eine Petition zu überreichen, in der die Bevölkerung Alois II. "verschiedene Landesanliegen zur unmittelbaren Kenntnis" brachte, galt Peter Kaiser als Unruhestifter, der sich durch "sein nicht ganz ruhiges Verhalten" verdächtig machte. Ende 1847 gab Peter Kaiser seine "Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein" heraus. In diesem Werk begnügte sich Kaiser nicht damit, die Geschichte seines Landes zurückzuverfolgen, auch erinnerte er an die zu Beginn des 19. Jahrhunderts verlorengegangenen politischen Rechte und übte Kritik an den herrschenden politischen Verhältnissen. Seine Mitbürger wussten den politisch engagierten Bürger und den Gelehrten zu schätzen und es ist also nicht zu verwundern, dass er damit beauftragt wurde, die Sache des liechtensteinischen Volkes zu vertreten. Kaisers Schreiben vom 22. März 1848 Peter Kaiser kam der Bitte nach und stellte sich an die Spitze der Revolution unter der Bedingung, dass jede Störung der Ordnung vermieden wurde. Ausschüsse wurden ins Leben gerufen, die am 22. März in Schaan zusammentraten. Die Versammlung wurde von einem engeren, dreiköpfigen Landesausschub vertreten, der aus dem Präsidenten Peter Kaiser und den Ärzten Doktor Karl Schädlerund Doktor Ludwig Grass bestand. Der von Peter Kaiser entworfenen Adresse an den Fürsten, in der die Klagen und Belange der liechtensteinischen Bevölkerung zum Ausdruck gebracht wurden, pflichteten alle 112 Ausschüsse bei. Der Ton sowie der Inhalt des an den Fürsten gerichteten Schreibens verrieten die Entschlossenheit der Liechtensteiner und lieben den Wunsch nach Gerechtigkeit und Demokratie klar erkennen. Es ging hier auberdem keineswegs um eine Bitte. Die Liechtensteiner verlangten, als verantwortungsvolle Menschen bei der politischen und wirtschaftlichen Verwaltung ein Mitspracherecht zu haben, und lehnten es ab, weiter als biegsame, unwissende Untertanen angesehen zu werden. Der Anfang des Briefes legt ein gutes Zeugnis dafür ab : "Durchlauchter Fürst ! Die Art, wie wir bisher verwaltet und regiert wurden, ist für unser Ländlein zu kostspielig, das Grundeigenthum zu schwer belastet. Wir haben nur zu lange unter diesem doppelten Drucke gelitten. So ergreift auch uns die Bewegung, welche ganz Deutschland durchzuckt und an alle Throne klopft : auch wir wollen eine freiere Verfassung, Entlastung des Grundeigentums, wir wollen in Zukunft als Bürger und nicht als Unterthanen behandelt sein" Das zweite Schreiben der Liechtensteiner an den Fürsten Zwei Tage nach der Absendung der Adresse erfuhren die Liechtensteiner von der Proklamation des Fürsten. Die Nachricht von dem Versprechen, dem Beispiel Österreichs zu folgen, und die Aussicht auf eine baldige neue Verfassung, verfehlte ihre Wirkung nicht und sorgte für Entspannung im Lande. Doch der Gedanke, nach dem österreichischen Vorbild regiert zu werden, und die Furcht um die Nicht-Erfüllung der weiteren Forderungen führten dazu, dab am 24. März 1848 als Antwort an den Fürsten ein zweites Schreiben verfasst wurde, in dem die in der ersten Petition enthaltenen Wünsche wiederholt und ergänzt wurden. Zugleich wiesen die Ausschüsse darauf hin, "dab wir, ein armes kleines Bergvölklein, eine Monarchie nach dem Beispiele gröberer Völker nicht zu ertragen vermögen, dab für uns einfache und wenig kostspielige und freie Formen passen, und wer uns in diesem Geiste regiert, darf unserer Treue und Anhänglichkeit sicher sein." Die Forderungen der Ausschüsse Die in den Bittschriften vom 22. März und vom 24. März 1848 enthaltenen Forderungen der liechtensteinischen Bevölkerung waren sowohl politischer als sozialwirtschaftlicher Art. Auf der politischen Ebene forderten die Bürger demokratisches Mitwirken und ausgedehnte Autonomie. Der Fürst wurde in der Bittschrift vom 22. März ersucht, "die ständische Verfassung durch eine andere zu ersetzen, die auf freieren Grundlagen ruht, mit freier Wahl der Volksvertreter und allen Rechten und Freiheiten als : Vereins- und Versammlungsrecht, Öffentlichkeit und Mündlichkeit im gerichtlichen Verfahren, Öffentlichkeit der Sitzungen des Landtages, wie sie das Volk in den süddeutschen Staaten verlangt und erhalten hat.". Ferner sollte "den Ständen auch die Initiative in Verwaltungs- und Gesetzessachen zustehen" Auch sollte "über die Einnahmen und Ausgaben des öffentlichen Haushaltes und über die Verwaltung (...) jährlich Rechenschaft abgelegt werden". Die neuen Gesetze und Abgaben sollten also nur dann eingeführt werden, wenn die Volksvertretung darüber beraten und seine Zustimmung gegeben hatte. Der Rentmeister von Feldkirch und der geistliche Stand sollten an der Volksvertretung nicht teilhaben dürfen. In der Bittschrift vom 24. März wurde der Fürst darum gebeten, "dahin zu wirken, dab wir unbeschadet der Einheit Deutschlands ein freies, selbständiges Ganzes bleiben". Im sozialwirtschaftlichen Bereich sollten Mabnahmen ergriffen werden, die die wirtschaftliche Aktivität fördern und das Alltagsleben des einzelnen erleichtern würden. Man darf nämlich nicht vergessen, dass es dem gröbten Teil der liechtensteinischen Bevölkerung hauptsächlich darum ging, eine Verbesserung ihrer materiellen Lebensbedingungen zu erzielen, denn "die Aufhebung der Lasten war in allen bäuerlichen Gegenden das eigentliche Ziel der Erhebungen". Die im Rahmen des Deutschen Bundes entrichteten Gebühren sollten revidiert und den finanziellen Möglichkeiten des Landes angepasst werden. Auch das Schulwesen sollte "der Gegenstand besonderer Vorsorge sein". Zur Hebung der Allgemeinbildung des Volkes sollte für eine bessere Ausbildung der Lehrerkräfte gesorgt werden und "die Einführung zweckmäbiger Schulbücher ist ein dringendes Bedürfnis" . Auberdem sollten Gemeindeschulräte eingeführt werden. Der Fürst wurde auch gebeten, sich dafür einzusetzen, dass die Zollschranken, die den freien Verkehr mit den anderen deutschen Staaten einschränkten, aufgehoben wurden. Dem Hausierhandel sollte ein Ende gesetzt und von den Auswanderern nach Amerika kein Abzugsgeld mehr verlangt werden. Ferner sollte eine Vermögenssteuer erhoben und der Salzaufschlag vermindert werden. Auch sollten alle Grundstücke gleichmäbig zu den Gemeindelasten herangezogen werden. Die "Besonderen Wünsche und Anliegen" der Gemeinden sahen die Aufhebung von Gewerbemonopolen - wie Mühlen, Hanfreiben und Ziegelhütten - vor und bezogen sich auch auf einige Feudalien, Gemeinderechte und Streitfälle zwischen Gemeinden. Der fürstliche Erlaß vom 7. April 1848 Als Alois II. erfuhr, dass es im Fürstentum zu Unruhen gekommen war, bat er sofort die österreichischen Behörden um militärischen Beistand, falls die Protestbewegung in regelrechte Volkserhebung ausarten würde. Landvogt Menzinger wurde aufgefordert, die Liechtensteiner daran zu erinnern, dass sie "ihre Wünsche in geziemender Weise" formulieren sollten. Menzinger warnte den Fürsten vor einem Einsatz des Militärs und wies darauf hin, dass eine solche Intervention zu den "gröbsten Exzessen"führen würde. Am 7. April 1848 wurde ein fürstlicher Erlab herausgegeben, der "zur Veröffentlichung im ganzen Lande" bestimmt war und in dem der liberal eingestellte Alois II. den Wünschen des liechtensteinischen Volkes nachkam. Alois' Antwort bestand in der Versprechung der Gewährung einer liberalen Verfassung und in sofort durchzuführenden Mabnahmen. Laut Artikel 1 des Erlasses war "die Erteilung eines Verfassungsgesetzes nach konstitutionellen Grundsätzen (...) als (...) rechtsverbindlich zugesichert anzusehen". Dem Volk wurde also die Einführung einer Verfassung in Aussicht gestellt – mit freier Wahl der Volksvertreter – jedoch "auf Besitz und Bildung gegründet". Den Liechtensteinern wurde dabei auch das Recht zugesprochen, in Zukunft neue Steuern einführen und neue Gesetze beraten zu dürfen. Der Fürst versprach, dass der demnächst einzuberufende Landtag an der Umarbeitung der Gemeindeordnung und des Forstgesetzes, an der Einführung eines neuen Steuergesetzes, eines neues Triebrechts und einer klaren Ordnung des öffentlichen Haushalts arbeiten würde. Als weitere Aufgabe des neuen Landtags war auch die Bewilligung einer Reihe von Mabnahmen vorgesehen, die zur Förderung von Gewerbe, Handel, Handwerk und Landwirtschaft und zur Verbesserung des Erziehungswesens beitragen sollten. Der Fürst erklärte sich auberdem bereit, die Fronen und die geistlichen wie weltlichen Zehnten abzuschaffen. Darüber hinaus sollte ein Landeskataster für die gerechte Verteilung der Lasten über die Grundstücke sorgen. Alois sprach sich auch für den Abbau der Verwaltungskosten des Landes aus. Er wollte sich auch für die Aufhebung der Zollschranken zwischen dem Fürstentum und Österreich einsetzen und eine Herabsetzung des Salzpreises erwirken. Er versprach überdies, von seinem Ansehen Gebrauch zu machen, damit der Deutsche Bund mehr Rücksicht auf die liechtensteinischen Besonderheiten nahm. In absehbarer Zukunft sollte dem Fürstentum das Recht auf vollständige Selbständigkeit zuerkannt werden. Als sofortige Antwort auf die Forderungen der Liechtensteiner wurden einige wenige Mabnahmen ergriffen. Von nun an wurde vom Landesverweser und nicht mehr vom Landvogt die Rede, vom Regierungsamt und nicht mehr vom Oberamt. Zoll und Weggeld wurden bleibende Staatseinkommen. Aufgehoben wurden der Novalzehnt und die Mühlzwangablösung, das Abfahrtsgeld der Auswanderer, die Privilegien zur Errichtung von Mühlen und Ziegelhütten. Ausschreitungen Zwar freuten sich die Bürger sowohl über die sofort in Kraft tretenden als auch über die in Aussicht gestellten Verbesserungen, aber es entging ihnen durchaus nicht, dass nur ein kleiner Teil ihrer Forderungen berücksichtigt worden war und dass viele Punkte einfach nicht beachtet worden waren. Der Wunsch "nach öffentlichem und mündlichem Gerichtsverfahren, nach Öffentlichkeit der Landtagsverhandlungen, freiem Versammlungs- und Vereinsrecht, Besetzung der Beamtenstellen durch Inländer oder freiheitlicher gesinnte Männer, nach Volksbewaffnung, freier Jagd und Fischerei, Überlassung des Ohmgeldes als Landesregal, Herabsetzung der Taxen und Aufhebung der Sporteln und nach Besoldung des Bundesgesandten durch den Fürsten allein" mit Stillschweigen übergangen worden. Die Erwartungen der Bürger waren also nicht erfüllt worden und die wiedereingetretene Ruhe nach Bekanntmachung der fürstlichen Konzessionen hielt nicht lange an. Bevorzugte Zielscheibe des völkischen Unmuts waren die fremden Beamten. Einer von ihnen, Kanzlist Johann Langer, trug durch seine überhebliche Haltung die Verantwortung für neue Zwischenfälle. "Langer war das Musterbild jener Gattung von Staatsbeamten, die sich ebenso herrisch nach unten wie unterwürfig nach oben gebärdeten und der festen Überzeugung waren, [....] das Volk diene nur als Piedestal, auf welchem sich die wohlgegliederte Pyramide der Beamtenhierarchie [...] erhebe." Langer hatte sich schon lange durch sein arrogantes Wesen verhasst gemacht und als er im Bierhaus die Liechtensteiner von neuem provozierte, beschlossen Leute aus Balzers und Vaduz, den Beamten des Landes zu verweisen. "Es war am 15. April 1848. Wenn schon in Triesen alles zusammenlief, um 'den Revolutionszug' zu sehen, so war die Aufregung in Vaduz ungeheuer, denn man glaubte, es gelte der Regierung. Wirklich drangen die Verschwörer auch ins Amtsgebäude ein, aber sie schrien nur nach Langer. Der hatte sich in Todesängsten in seinem Abort versteckt." Menzinger vermochte es nicht, den Zorn der Verschwörer zu besänftigen, und Langer wurde 'mit Trommel und Pfeifen durch das ganze Land hinabgeführt und über die österreichische Grenze gestellt". Der Groll der in Vaduz zurückgekehrten Menge richtete sich dann gegen die beiden Polizisten Hilti. Man verlangte ihre Entlassung, denn ihnen wurde vorgeworfen, sich gegenüber den Leuten aus dem Volk nicht respektvoll genug zu zeigen. Die aufgebrachte Menge gab sich erst dann zufrieden, als die beiden Beamten zurücktraten. Die Sicherheitsausschüsse Peter Kaiser und die anderen Mitglieder des Landesauschusses hielten solche Ausschreitungen für fehl am Platz, da sie ihrer Sache mehr schadeten als nutzten. Es wurde beschlossen, weitere gewalttätige Aktionen nicht zuzulassen. Ein Landes-Sicherheits-Ausschub wurde gebildet, der alle Gemeinden dazu aufrief, Gemeinde-Sicherheits-Ausschüsse zu wählen. Die Sicherheitsausschüsse hatten dafür zu sorgen, dass die herrschende Ordnung nicht gestört wurde. Diese vorbeugenden Maßnahmen schienen sich zu bewähren, denn bald kehrte wieder Ruhe im Land ein. Die Antwort der Liechtensteiner auf den Erlab vom 7. April Der fürstliche Erlab vom 7. April 1848 hatte die Erwartungen der Landesausschüsse enttäuscht und am 16. April 1848 versammelten sich die Landesausschüsse, um eine dritte Petition an den Fürsten zu entwerfen. In erster Linie wurden alle Punkte, die im fürstlichen Erlass nicht berührt worden waren, erneut aufgegriffen. Der Fürst wurde nachdrücklich dazu ermahnt, die Feudallasten abzuschaffen. Verlangt wurden wiederum das Recht auf freie Jagd und Fischerei, die Aufhebung der Sporteln und die Herabsetzung der Taxen, die Besoldung des Bundesgesandten durch den Fürsten selbst, die Besetzung der Beamtenstellen durch inländische Bürger und die Beschränkung der Regierung auf drei Beamte. Es wurde einmal mehr darauf hingewiesen, dass Liechtenstein ein deutsches Bundesgebiet war und dass eine politische Anlehnung an Österreich ganz und gar ausgeschlossen war. Die Liechtensteiner teilten also Fürst Alois II. mit, "dab, da unser Land ein selbständiges Bundesgebiet ist, wir berechtigt zu sein glauben, auch eigene, den Verhältnissen und Bedürfnissen des Volkes angemessene Gesetze und Ordnungen zu haben..., dab wir folglich nicht wieder auf die Muster eines mächtigen Nachbarstaates angewiesen werden; wir wollen eigene, oder allgemeine deutsche, nicht österreichische Gesetze in allen Beziehungen des öffentlichen Lebens." Die Petition enthielt aber auch neue Anliegen. Die fürstliche Privatverwaltung sollte von der Landesverwaltung getrennt werden, die Landesregierung sollte in unmittelbarem Kontakt mit dem Fürsten stehen, das heibt, ohne Einschaltung der Hofkanzlei, und die Regierung sollte sich in Zukunft vor der Volksvertretung verantworten können. In wirtschaftlicher Hinsicht wurde der Wunsch nach freiem Handelsverkehr nicht nur mit dem Nachbarland Österreich, sondern auch mit allen deutschen Staaten geäubert. Der fürstliche Erlass vom 2. Mai 1848 Obwohl Menzinger in seinem Brief vom 19. April dem Fürsten nahegelegt hatte, die Forderungen der Ausschüsse zu erfüllen, wobei er darauf hingewiesen hatte, dass nur durch eine endgültige Regelung der strittigen Angelegenheiten "der fortwährend aufgeregte Zustand" aufhören und Alois "ein anhängliches Volk" erhalten würde, konnte der Fürst anfangs seinen Verdrub über die Art und Weise, wie manche Beamten – und vor allem Johann Langer – behandelt worden waren, nicht verbergen. Erst als Menzinger ihm versicherte, "der gröbere Theil der Liechtensteiner ärgert sich darüber", erklärte sich Alois bereit, neue Zugeständnisse zu machen. Alois II. willigte darin ein, den meisten Forderungen der Ausschüsse nachzukommen, sei es durch eigene Anordnung oder durch den künftigen neuen Landtag. Um seinen guten Willen und seine freiheitlich-demokratische Gesinnung zu bekunden, verfügte er sogar auch die Wahl von fünf Vertrauensmännern, "welche die besonderen Wünsche des Landes rücksichtlich des Verfassungswerkes und jener Vorrechte, [...] vereint mit einem Landesverweser in Beratung ziehen, und mir das Resultat dieser Beratungen vorlegen, worauf ich mit Erlab des Verfassungsgrundgesetzes gewiss nicht säumen werde." Die Voraussetzung, dass die revolutionäre Bewegung in Liechtenstein ein glückliches Ende finden würde, schien an jenem Zeitpunkt der Verhandlungen als durchaus begründet zu sein. Schon im Oktober legte dieser Rat von 5 Männern einen Verfassungsentwurf vor. Fürst Alois II hütete sich aber, gleich eine Entscheidung zu treffen, denn der Ausgang der Verhandlungen "hing jedoch wesentlich vom weiteren Verlauf der Revolution in Deutschland und Österreich ab."
das ende der revolutionären bewegung Der Sieg der reaktionären Kräfte Am 28. März 1849 waren die Abgeordneten der in Frankfurt tagenden Nationalversammlung mit der Ausarbeitung der Reichsverfassung fertig und die gerade ins Leben gerufene Verfassung galt von nun an als rechtsverbindlich für das ganze Reichsgebiet. Zwar pflichteten 28 Regierungen der Reichsverfassung bei, aber Preuben, Österreich, Bayern, Württemberg und Sachsen lehnten es ab, sie anzuerkennen. Alois II. folgte dem Beispiel Österreich und erkannte sie auch nicht an. Die österreichische und preubische Regierung beriefen ihre Abgeordneten aus der Nationalversammlung zurück und weitere Staaten schlossen sich ihnen an. Am 18. Juni 1849 bestand die deutsche Nationalversammlung, die ihren Sitz nach Stuttgart verlegt hatte, nur noch aus knapp 100 Abgeordneten. Wenige Wochen später wurde die Nationalversammlung unter dem Druck württembergischer Truppen gezwungen, auseinanderzugehen. In Wien und Berlin konnten die freiheitlichen Bewegungen mit Hilfe des Militärs niedergeworfen werden. In Frankfurt wurde der alte Bundestag mit den Gesandten der Fürsten wiedereröffnet und es dauerte nicht lange, bis die Grundrechte aufgehoben wurden. Der Traum von einem geeinten Deutschland war ausgeträumt und der Versuch der Bevölkerung, politisch mitzuwirken, war gescheitert. Das Fazit der liechtensteinischen Revolution Im deutschsprachigen Raum hatte sich das revolutionäre Gedankengut in seiner Vielfalt nicht durchsetzen können, aber es wäre ein Irrtum zu glauben, dass im Fürstentum Liechtenstein das freiheitliche Streben umsonst gewesen war. Das Scheitern der Revolution verhinderte zweifelsohne die Einführung der erhofften Verfassung und bedeutete blob die "Verlängerung des provisorischen Verfassungszustandes". Es richtete darüber hinaus die Hoffnung auf eine Erleichterung der wirtschaftlichen Beziehungen zugrunde. Aber wenn man bedenkt, dass die Liechtensteiner in erster Linie eine Verbesserung des Alltagslebens zu erreichen suchten und dass "die zahlreichen materiellen Forderungen [...] nach Entlastung von Abgaben, Fronen, Kontingents- und Bundeskosten". Vorrang hatten, dann kann die liechtensteinische Revolution als gelungen hingestellt werden, insofern als Fürst Alois II. den von den Bürgern formulierten Anliegen schon 1848 und 1849 entgegenkam. |