NPD-Auftritt in Sachsen löst Empörung aus (Montag 24. Januar 2005)
Berlin/Dresden (AFP) - Der Auftritt der NPD im
sächsischen Landtag, bei dem sich die Rechtsextremen dem Gedenken an die
Holocaust-Opfer verweigerten, hat eine Welle der Empörung ausgelöst.
SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter appellierte an
alle demokratischen Kräfte, "diesen nazistischen Umtrieben mit allen
Mitteln Einhalt zu gebieten". Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) brachte ein neues NPD-Verbotsverfahren ins
Gespräch.
Die NPD-Abgeordneten hatten am Freitag im Dresdner
Landtag den Saal verlassen, nachdem Landtagspräsident Erich Iltgen
(CDU) auch zum stillen Gedenken an die Opfer des Holocaust aufgerufen hatte.
Ein zuvor von der NPD gestellter Antrag hatte vorgesehen, nur an die
Bombenangriffe auf Dresden am 13. Februar 1945 zu erinnern. In einer Rede
bezeichnete der sächsische NPD-Fraktionschef Holger Apfel den Angriff auf
Dresden als "Bomben-Holocaust". Die Staatsanwaltschaft prüft nun ein
Strafverfahren wegen Volksverhetzung. Auch bei Vertretern der Juden sorgte der
Vorgang für Empörung.
Benneter sagte
dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag", die Vorgänge in Dresden seien
"unserer Demokratie unwürdig". Grünen-Chefin Claudia Roth erklärte,
das Verhalten der NPD müsse auf den entschiedenen Widerstand aller Demokraten
stoßen. Es müssten "alle juristischen Mittel geprüft werden, ob das
Verhalten der NPD, das vor rechtsextremer Ideologie strotzt, den Tatbestand der
Volksverhetzung erfüllt".
Der SPD-Innenexperte
Dieter Wiefelspütz sprach von "geistigem Brandstiftertum". In der "Netzeitung"
appellierte er an die Bürger, sich das Verhalten der NPD nicht gefallen zu
lassen. Der sächsische SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss
appellierte an die Parteien, den Schulterschluss gegen die Rechtsextremen zu
üben. Er verwies im RBB darauf, dass sich SPD, CDU, PDS, Grüne und FDP im
Landtag bereits auf eine gemeinsame Strategie gegen die NPD verständigt hätten.
Milbradt sagte
der "Bild am Sonntag": "Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine
Wiederaufnahme des NPD-Verbotsverfahrens." Dies
müsse "aber sorgfältig vorbereitet werden und ersetzt nicht die politische
Auseinandersetzung". Aktionismus nütze im Falle eines erneuten Scheiterns
der NPD. Demgegenüber lehnten Wiefelspütz und
Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele einen neuen Verbotsantrag ab.
Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach
(CDU) sagte im NDR, es müsse deutlich gemacht werden, dass der Vorfall von
Dresden "mit Patriotismus überhaupt nichts zu tun hat".
Regierung für genaue Prüfung von NPD-Verbotsantrag
Berlin (AFP) - Die Bundesregierung hat das
Verhalten der NPD im sächsischen Landtag scharf verurteilt und ist der Ansicht,
dass ein neuerlicher Verbotsantrag gegen die rechtsextreme Partei sorgfältig
geprüft werden müsse. Die Regierung bleibe bei ihrer Haltung: "Die NPD ist
eine verfassungsfeindliche Organisation", sagte Vize-Regierungssprecher
Hans Langguth. Die Dresdner Staatsanwaltschaft will
nach dem Skandal auf strafrechtliche Ermittlungen verzichten.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und die
gesamte Bundesregierung hätten "mit Abscheu" zur Kenntnis genommen,
dass die NPD sich geweigert habe, an einem Gedenken für die NS-Opfer
teilzunehmen, sagte Langguth weiter. Die Abgeordneten
hatten statt dessen von einem
"Bomben-Holocaust" der Alliierten gesprochen.
Der Dresdner Oberstaatsanwalt Andreas Feron schloss Ermittlungen gegen die Partei aus:
"Soweit es um Äußerungen von Abgeordneten unmittelbar innerhalb des
Parlaments geht, scheidet eine Strafverfolgung aus." Abgeordnete dürften
"zu keiner Zeit" wegen ihrer Abstimmung oder einer Aussage im Landtag
gerichtlich oder dienstlich verfolgt werden. Dies sei sowohl im Grundgesetz als
auch in der sächsischen Landesverfassung so geregelt. Eine Strafverfolgung käme
danach lediglich beim Verdacht der verleumderischen Beleidigung in Betracht.
Die NPD-Abgeordneten hatten sich am Freitag dem
Gedenken an die Holocaust-Opfer verweigert und von einem
"Bomben-Holocaust" der Alliierten gesprochen. Vertreter aller
Parteien forderten nach dem Eklat eine offensivere politische
Auseinandersetzung mit der NPD. Der Ruf nach einem neuen NPD-Verbotsantrag
stößt allerdings weitgehend auf Skepsis. "Wir dürfen uns jetzt nicht
zurückziehen auf das, was Gerichte tun oder tun könnten", sagte SPD-Chef
Franz Müntefering in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". "Es wäre
falsch, wenn wir als Politiker jetzt den Juristen, den Richtern, die Lösung
hinschieben würden."
Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU)
lehnte ein neues Verbotsverfahren ebenso ab wie ein Redeverbot für die
NPD-Abgeordneten. "Wir dürfen die Rechtsextremen nicht zu Märtyrern
machen", sagte Schönbohm der "Berliner Zeitung". Auch
Nordrhein-Westfalens SPD-Chef Harald Schartau sprach
sich in dem Blatt gegen einen vorschnellen Gang nach Karlsruhe aus. Berlins
Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) will
einen für den 60. Jahrestag des Kriegsendes geplanten Demonstrationszug der NPD
durch das Brandenburger Tor verhindern.