Samstag 6. April 2002, 15:30 Uhr

Ex-Minister Lafontaine und Apel fordern Ende der Wehrpflicht

En orange, les effectifs des appelés par rapport au contingent total (en vert) der Bundeswehr. Deutschland gehöre heute zu den großen und bedeutenden Staaten der Welt und habe auch militärisch außerhalb der NATO in großem Umfang Verantwortung übernommen.

«In einer weltweit operierenden Armee ist kein Platz mehr für Wehrpflichtige. Der Soldat der Zukunft muss hoch spezialisiert ausgebildet sein. Das kann nicht in wenigen Monaten geleistet werden.» Entscheidend für diese Neuorientierung ist laut Apel, dass der Bundeswehr ausreichend Geld für die Erfüllung ihrer neuen Aufgaben zur Verfügung gestellt wird. Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) forderte als Alternative zur Wehrpflicht ein soziales Pflichtjahr. In einem Gastbeitrag für die «Bild am Sonntag» schrieb er: «Ein soziales Pflichtjahr für Deutschland. Ein Jahr für Menschen. Das wäre eine Reform der Wehr- und Zivildienstpflicht.» Neben den Grünen und der FDP ist auch die PDS für die Abschaffung der Wehrpflicht. Nach einem Bericht der «Berliner Zeitung» (Samstag) fordert die Partei kurzfristig eine «Aussetzung» der Wehrpflicht und will sie anschließend im Zuge einer Grundgesetzänderung ganz abschaffen. PDS-Fraktionschef Roland Claus sagte dem Blatt, seine Partei lehne «Zwangsdienste aller Art» ab.

Berlin (dpa) - In der SPD mehren sich die Rufe nach einer Abschaffung der Wehrpflicht. Nach einigen SPD-Landeschefs sprachen sich auch der frühere Verteidigungsminister Hans Apel (SPD) und der ehemalige Parteichef Oskar Lafontaine für ein Ende der Wehrpflicht aus. «Die Zeit ist reif für die Berufsarmee», sagte Lafontaine dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel». Apel bezeichnete die Wehrpflicht als überholt. Ob der Zwangsdienst wegen fehlender Wehrgerechtigkeit abgeschafft werden muss, darüber entscheidet voraussichtlich am kommenden Mittwoch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Nach Informationen des Nachrichtenmagazins «Focus» werden die Richter die Klage abweisen. Das Blatt beruft sich auf Justizkreise. Der Zweite Senat unter Vorsitz der scheidenden Gerichtspräsidentin Jutta Limbach wolle dabei auf frühere Entscheidungen des Verfassungsgerichts zur Wehrpflicht verweisen. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, rechnet aber damit, dass das Gericht der Politik «starke Leitplanken» vorgeben wird, wie der Vollzug der Wehrpflicht künftig vonstatten gehen kann. Die Wehrpflicht sei zu einem «reinen Lotteriespiel» verkommen, sagte Beck der deutschen Presseagentur (dpa).

Lafontaine begründete seine Ablehnung der Wehrpflicht damit, dass Deutschland für die Arbeit als «Weltpolizist» in Diensten der Vereinten Nationen gut ausgebildete Fachkräfte brauche. Nach der Abkehr nahezu aller westlichen Partner von der Wehrpflicht komme Deutschland in Zugzwang, sagte Lafontaine dem «Spiegel». Er plädierte für eine europäische Armee,die «Polizeiaufgaben im Rahmen von Peace- Keeping-Missionen» überall in der Welt wahrnehmen könne. Er stellte sich damit gegen SPD-Chef Gerhard Schröder und Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), die an der Wehrpflicht festhalten wollen. Apel verwies in einem Gastbeitrag für die Samstag-Ausgabe der «Süddeutschen Zeitung» auf die nach dem Ende des Kalten Krieges grundlegend veränderten Aufgaben

Armée de métier et service militaire dans l'OTAN

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